Göttinger Erklärung der Senioren-Union der CDU Deutschlands

Beschluß des Bundesvorstandes der Senioren Union zum Motto des Deutschlandtages vom 29.10.2000 - 31.10.2000

Im Eingangsportal des Tempels zu Delphi steht der Spruch: „Erkenne Dich selbst – werde, der Du bist – beschränke Dich – sei“. Dieser Spruch gilt unabhängig vom Alter für alle Menschen. Jüngere Menschen ahnen die Bedeutung dieses Gedankens zwar, aber die Alltagshektik verhindert Vertiefung und Umsetzung dieser Maxime. Im Alter jedoch wächst die Chance, diesen Satz auch zu leben.

Umgekehrt ist das Interesse der jungen Menschen an den Älteren groß: Sie wollen wissen, was das Besondere am Alter ist, wie man lebt, welche Werte bleiben, was wichtig ist im Leben. An diesem Punkt – nicht allein bei den Themen Rente, Gesundheit, Pflege – beginnt der Dialog der Generationen. Eine solche neue Qualität des Miteinanders kann die harte Messlatte der Gerechtigkeit, kann den sogenannten Generationenkonflikt relativieren.

Hier setzt die „Kultur des Alterns – Kultur der Mündigkeit“ an: Egal, ob jung oder alt – Akzeptanz, Beteiligung, Kommunikation gehören stets zu einem sinnerfüllten Leben. Ältere Menschen wollen ihr Leben eigenverantwortlich und selbständig gestalten, wollen eingesetzt werden, wollen Verantwortung auch für andere, Jüngere, übernehmen. Dies erfordert aber entsprechende Rahmenbedingungen. Voraussetzung dafür ist ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass alle Generationen, alle Altersgruppen in unserer Gesellschaft ein demokratisch legitimiertes Mitspracherecht auf möglichst vielen Ebenen haben. Dieser Konsens muss erzielt werden – nicht nur, weil die demografische Entwicklung für die Seniorinnen und Senioren spricht.

Besonders in unserer individualisierten Gesellschaft ist eine Kultur des Miteinanders unerlässlich. Mündiges Tradieren von Werten fördert dieses Miteinander von Menschen aller Altersstufen, Klassen und Rassen. Doch darf sich dieser Austausch nicht nur im schöngeistigen Bereich bewegen. Er muss politischen Ausdruck finden. Dies gilt auch für die sogenannten „weichen Themen“. Dass in einer solchen Atmosphäre des Miteinanders aus Vernunft auch die Sozialsysteme entlastet werden, ist ein willkommener Nebeneffekt.

Aus Rückschau auf ein langes Leben, aus Gegenwartsbezug und aus Zukunftsvisionen, aber auch an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Individuum ist die ältere Generation in der Lage, aus einer gesunden Distanz heraus Stellung zu beziehen und Verantwortung zu übernehmen. Denn die Älteren wissen: Aus Kritik und Konflikt können Kreativität und ein neuer generationenübergreifender Konsens entstehen.

Dies alles sind beste Voraussetzungen für die Arbeit in der Senioren Union und in der CDU. Denn mit der CDU gehen wir in einen neue Ära der politischen Gestaltung. Man kann es Neuanfang nennen. Man kann es aber auch Kursbestimmung nennen: Beibehaltung des Bewährten und Verknüpfung mit dem Neuen. Dies entspricht dem Verständnis unserer Arbeit: Senioren gestalten mündig die Zukunft, setzen eigene Maßstäbe – aber immer mit der uns eigenen Kenntnis und Verantwortung. Nicht allein wegen der demografischen Entwicklung, sondern auch, weil die Lösung der drängenden Probleme in unserer Gesellschaft unaufgeregter, erfahrener und über den Tag hinausblickender Kraft bedarf. Darin sehen wir die Aufgabe der Senioren Union.